Wie wird sich der bilinguale Sachfachunterricht in der Zukunft entwickeln?
Darüber haben wir mit Professor Hartmut Ebke, dem ehemaligen Direktor des Seminars für Ausbildung und Fortbildung der Lehrkräfte Tübingen (Gymnasium), gesprochen. Das Gespräch führte Dagmar Giersberg. Sie arbeitet als freie Publizistin in Bonn. Copyright: Goethe-Institut, Online Redaktion im November 2007.
Bereits 1969 wurde der erste bilinguale Zug an einem Gymnasium in Deutschland eingeführt. Doch der Ausbau des bilingualen Unterrichtens kam nur sehr zögerlich voran. Das lag an der Konzeption, die ursprünglich die Stärkung des Fremdsprachenlernens in den Focus rückte. Die Anforderungen waren recht hoch, man hielt sich an die inhaltlichen Vorgaben des Lehrplans. Das war ein Modell für besonders begabte und engagierte Schüler. 1999 gab es – laut KMK-Bericht – 366 Schulen, die nach einem behutsamen Aufbau einige Sachfächer bilingual unterrichteten. 2006 waren es bereits 847 Schulen. Der Anstieg ist zwar rasant, aber das sind immer noch nur 3 % der Schulen in Deutschland. Ich denke, wir haben ein Potenzial von 30 %.
Wie ist die rasante Entwicklung in den letzten Jahren zu erklären? Der Ausbau hängt damit zusammen, dass wir
bezüglich der Lehrpläne einen neuen Weg gegangen sind: weg von der Aufzählung von Inhalten, die es zu absolvieren gilt, hin
zu einer kompetenzorientierten Arbeit, weg von einer reinen Verbreiterung des Fremdsprachenlernens hin zu einem integrierten Konzept, auch
weg von einem Modell nur für besonders begabte hin zu einem Angebot für alle Schülerinnen und Schüler. Deswegen
gefällt mir auch der englische Begriff "Content and Language Integrated Learning" (CLIL). Er weist darauf hin, dass es sich um ein
Integrationskonzept handelt. Das Ineinander-Verwobensein von Sach- und Fremdsprachenunterricht ist das Erfolgsrezept. Hier dient die
Sprache als Medium der Vermittlung und Verständigung.
Welche Entwicklung prognostizieren Sie für die nächsten Jahre? Ich gehe davon aus, dass es einen weiteren
Anstieg gibt. Es gibt sehr viele Initiativen in diesem Bereich, auch mit deutlicher Unterstützung der EU. Deshalb sagt ich eine eher
exponentielle als lineare Entwicklung voraus.
Es gibt ein Modell, das ich den Mercedes des bilingualen Unterrichtens nenne. Dieses Modell findet in etablierten Zügen statt, mit festgelegten Sachfächern, die zunehmend in der Zielsprache unterrichtet werden. Hier gibt es eine eigene Abteilung und sogar zusätzliche Unterrichtstunden zur Unterfütterung des Sachfachunterrichts, Abschlüsse und Zertifikate. Aber unterhalb dieses Modells gibt es eine Fülle von Möglichkeiten, bilingual zu beginnen – sozusagen verschiedene Vorstufen vom Fahrrad über den Kleinwagen. So kann etwa ein Lehrer mit einer sechswöchigen Unterrichtseinheit im Fach Biologie in Englisch eine Initialzündung für die ganze Schule bewirken. Oft ist es schwer, den Mercedes mit mehr Stundendeputat durchzusetzen. Eine Alternative ist da das Konzept, die Stunden für den Fremdsprachenunterricht ab Ende der Mittelstufe etwas zu reduzieren und dafür den Sachfachunterricht in der Zielsprache zu unterstützen. In dieser symbiotischen Form ändert sich nichts an der Gesamtstundenzahl, aber der Schwerpunkt verlagert sich hin zur Anwendung der Sprache.
Das ist eine Herausforderung. Es gibt bereits in vielen Bundesländern Reaktionen darauf. In NRW, speziell im Studienseminar Bonn, gibt es beispielsweise eine enge Kooperation mit Hochschulen, die eine professionelle Vorbereitung von Lehrkräften auf bilingualen Unterricht zum Ziel haben. In Baden-Württemberg gibt es an den pädagogischen Hochschulen der Rheinschiene das Europalehramt für den Grund-, Haupt und Realschulbereich, das die Lehrkräfte sehr fordert und zwei zusätzliche Semester kostet, aber eben sehr kompetente Lehrkräfte für die bilinguale Schularbeit ausbildet. Auch im Vorbereitungsdienst und im Referendariat für Gymnasien gibt es mittlerweile Ausbildungs- und Prüfungsordnungen für bilinguales Unterrichten. Die EU hat in Brüssel eine Arbeitsgruppe mit Vertretern aller Mitgliedsstaaten eingerichtet, die sich mit einem europäischen Profil für die Aus- und Weiterbildung von Sprachlehrkräften beschäftigt. Wir haben unter anderem Konsens in der Forderung: "Die angehenden Lehrkräfte erlernen die entsprechenden Methoden und Strategien, um ein Sachfach in der Fremdsprache zu unterrichten".
Ich wünsche mir eine große Vielfalt des "Ich-probiere-es-einmal-aus" von engagierten jungen Lehrkräften, die vielleicht im Ausland studiert haben und die Kompetenzen mitbringen. Ich wünsche mir die Offenheit der Ministerien, die den Schulen die Chance geben, ihre Initiativen auch in dauerhafte Strukturen umzusetzen und ich wünsche mir die Unterstützung in den Netzwerken, die gute Beispiele einer breiten interessierten Fachöffentlichkeit vermitteln können.